Einspruchsfrist gegen Steuerbescheide und Rechtsbehelfsbelehrung

Unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung

Wenn man einen Steuerbescheid für unrichtig hält und sich gegen ihn zur Wehr setzen will, sollte man Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen. Denn nur so kann man sich sicher sein, dass das Finanzamt einen unrichtigen Steuerbescheid ändern muss. Legt man keinen Einspruch ein, dann kann der Steuerbescheid bestandskräftig werden. Das Finanzamt muss einen bestandskräftigen Steuerbescheid in der Regel nicht ändern, auch wenn er unrichtig ist.

Der Einspruch muss innerhalb einer bestimmten Frist eingelegt werden, der Einspruchsfrist. Versäumt man die Einspruchsfrist, ist der Einspruch unzulässig. Die Einspruchsfrist beträgt in der Regel einen Monat ab Bekanntgabe des Steuerbescheides. Allerdings beträgt die Einspruchsfrist ausnahmsweise ein Jahr, wenn der Steuerbescheid entweder nicht oder mit einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung versehen war. In Fällen, in denen die einmonatige Einspruchsfrist bereits abgelaufen ist, kann eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung also helfen, dennoch eine Änderung des Steuerbescheides zu erreichen.

Über einen solchen Fall hatte der Bundesfinanzhof zu entscheiden. Das Finanzamt erließ Schätzungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nachdem der betroffene Unternehmer später seine Gewinnermittlung eingereicht hatte, bat das Finanzamt den Unternehmer zunächst, Nachweise zu seiner Gewinnermittlung einzureichen. Als das unterblieb, hob das Finanzamt mit neuen Bescheiden die Vorbehalte der Nachprüfung auf. Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist reichte der Unternehmer die Nachweise ein mit der Begründung, er habe krankheitsbedingt nicht früher reagieren können, und bat um Aufhebung der Schätzungsbescheide. Das Finanzamt wies den Unternehmer auf die Möglichkeit hin, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Darauf reagierte der Unternehmer allerdings nicht.

Da der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden war, blieb dem Unternehmer nur noch der Einspruch, um die Steuerbescheide ändern zu lassen. Das Finanzamt verwarf die Einsprüche jedoch als unzulässig, weil die Monatsfrist abgelaufen war. Hiergegen erhob der Unternehmer Klage mit der Begründung, die Einspruchsbegründung sei noch nicht abgelaufen, weil er nicht darüber belehrt worden sei, dass er den Einspruch auch per E-Mail einlegen könne. Tatsächlich enthielt die Rechtsbehelfsbelehrungen der Bescheide jeweils den Satz: „Der Einspruch ist beim Finanzamt … schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären.“

Das Niedersächsische Finanzgericht folgte der Argumentation des Unternehmers und hob die Einspruchsbescheidung des Finanzamtes auf (Urteil vom 24. November 2011, 10 K 275/11). Die Rechtsbehelfsbelehrung sei unrichtig, weil nur auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, den Einspruch in Schriftform einzulegen, die elektronische Form aber nicht erwähnte. Beides sind unterschiedliche Dinge. Das Gesetz unterscheidet da genau. Schriftform bedeutet Papier und Unterschrift, wozu auch das Telefax gehört, nicht die E-Mail.

Der Bundesfinanzhof war anderer Auffassung als das Finanzgericht. Mit Urteil vom 20. November 2013 (Aktenzeichen X R 2/12) hob der das Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage des Unternehmers ab. Es begründete sein Urteil damit, dass nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH eine Rechtsbehelfsbelehrung auch dann noch vollständig und richtig ist, wenn sie hinsichtlich der zu wahrenden Form der Einlegung des Rechtsbehelfs nur den Wortlaut des Gesetzes wiederholt. und zwar nur § 357 Absatz 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO). Das war hier geschehen. Allerdings verlangt dieser Paragraph ausdrücklich die Schriftform. Dass die elektronische Form genügt, wenn das Finanzamt ausdrücklich eine E-Mail-Adresse oder eine andere elektronische Adresse angibt, steht an einer ganz anderen Stelle der Abgabenordnung (§ 87a AO).

Allerdings genügt in der Regel eine einfache E-Mail nicht, um bei Behörden oder Gerichten Anträge und Klagen einzureichen oder Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einzulegen. Vielmehr kann die verlangte Schriftform durch die elektronische Form nur dann ersetzt werden, wenn das elektronisch eingereichte Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist. Die elektronische Signatur entspricht dann der handschriftlichen Unterschrift bei der Schriftform.

Eine nicht signierte E-Mail genügt aber als Einspruch, wenn die elektronische Form zugelassen ist. Das steht zwar nicht ausdrücklich im Gesetz, wird aber daraus abgeleitet, dass ein Einspruch auch per Telegramm eingelegt werden darf (§ 357 Absatz 1 Satz 2 AO). Da ein Telegramm nicht mit der Unterschrift des Absenders versehen ist, soll also auch ein elektronisches Dokument ohne elektronische Signatur genügen.

Diese Formfragen und die dahinter stehenden Rechtsfragen sind auch für Juristen alles andere als leicht zu verstehen. Ein Laie ist jedoch damit völlig überfordert. Dennoch meint der Bundesfinanzhof in seinem recht knappen Urteil, dass es genüge, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Wortlaut des § 357 Absatz 1 Satz 1 Abgabenordnung wiederhole, auch wenn dort nicht auf die elektronische Form hingewiesen wird. Möglicherweise war dem Bundesfinanzhof selbst bewusst, dass seine Urteilsbegründung alles andere als überzeugend ist. Vermutlich wollte der Bundesfinanzhof nur nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung rütteln. Denn diese ist jedenfalls für die Finanzverwaltung insoweit praktikabel, als für sie damit klar ist, dass sie nichts falsch macht, wenn sie nur den Gesetzeswortlaut abschreibt.

Das Niedersächsische Finanzgericht hat in seinem sehr ausführlichen Urteil allerdings zu Recht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Gefolgschaft verweigert, wenn auch erfolglos. Zwar muss eine Rechtsbehelfsbelehrung auch einfach und klar sein. Denn sie soll über Rechte aufklären und keine zusätzliche Verwirrung stiften. Die Klarheit der Rechtsbehelfsbelehrung leidet, wenn sie durch eine Vielzahl von Angaben überfrachtet und dadurch unübersichtlich wird. Wenn allerdings Angaben gemacht werden, dann müssen diese richtig, vollständig und unmissverständlich sein. Da nur auf die Schriftform, nicht aber auf die elektronische Form hingewiesen wurde, waren die Angaben unvollständig. Da dieser Hinweis fehlte, bestand die Gefahr, dass ein „rechtsunkundiger Steuerbürger“ davon abgehalten wird, Einspruch einzulegen.

Der Gesetzgeber war ganz offensichtlich auch dieser Ansicht. Denn schon bevor der Bundesfinanzhof sein Urteil gefällt hat, hat er reagiert und den Wortlaut des § 357 Absatz 1 Satz 1 AO insoweit ergänzt. Dieser lautet sei 1. August 2013 nun wie folgt: „Der Einspruch ist schriftlich oder elektronisch einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären“. Möglicherweise dachte sich der Bundesfinanzhof bei seinem Urteil, dass seine Rechtsprechung, nach der es genügt, dass das Finanzamt das Gesetz abschreibt, jedenfalls in der Zukunft zu richtigen Rechtsbehelfsbelehrungen führen werde. Voraussetzung ist allerdings, dass die Finanzämter ihre Textvorlagen ändern.

Der Fall zeigt, dass man Fristen nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Man sollte in jedem Falle erst einmal Einspruch einlegen, wenn man sich nicht sicher ist, ob der Steuerbescheid richtig ist. Man kann den Einspruch später immer noch zurücknehmen.

Und wenn das Finanzamt sich aber einmal auf den Standpunkt stellt, die Frist sei versäumt, sollte man schnell reagieren. Dann schadet professionelle Hilfe durch einen Rechtsanwalt sicher nicht. Wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde, dann kann ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand helfen. Aber auch für diesen Antrag gibt es Fristen.

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